Von schlanker Produktion zur intelligenten Fabrik

Industrie 5.0: Traum oder machbare Praxis?

Industrie 5.0. Die Digitalisierung im Dienste des Menschen und des Prozesses.

Das große Versprechen und die Realität:

Die Fertigungsindustrie stand noch nie vor so vielen Herausforderungen wie heute. Kürzere Produktlebenszyklen, eine explosionsartige Zunahme von Varianten, mehr globale Wettbewerber, Fachkräftemangel und Vorschriften über Vorschriften. Sehr kundenspezifische Produkte oder Kleinserien müssen mit der gleichen Qualität und zu den gleichen Kosten wie in der Massenproduktion hergestellt werden. Die Lösung? Das Wunder der digitalen Fabrik. Die Verknüpfung der physischen und digitalen Welt über Datenmodelle zur papierlosen Verwaltung der gesamten Produktionsprozesse udn und der Supply Chain.

Viele Unternehmen zögern jedoch noch. Dies ist nicht auf einen Mangel an Technologien oder finanziellen Mitteln zurückzuführen. Häufig liegt es an der fehlenden Zeit. Manager und Teams sind so stark in das Tagesgeschäft eingebunden, dass es ihnen kaum möglich ercheint, die nötige Zeit für diese Veränderung aufzubringen.

Wo soll man anfangen? Wie können wir das tun? Und vor allem: Lohnt sich das wirklich, jetzt?

Digitalisieren – nie ohne Grundvoraussetzungen

Erstens ist es meiner Erfahrung nach entscheidend, dass die oberste Führungsebene wirklich davon überzeugt ist, dass sich diese Anstrengungen und Investitionen lohnen und durchgeführt werden müssen.

Etwas technischer ausgedrückt:

  1. es braucht den Blick auf das Ganze – statt auf einzelne Bestandteile
  2. eine gute Analyse und ein Verständnis der eigenen Prozesse damit die Lösungen auf realen Problemen und konkreten Vorteilen basieren und nicht auf Träumen oder den vielen verfügbaren Technologien
  3. die Basis sind skalierbare Anwendungstools und ein gutes Datenmanagement

Es geht nicht darum, ein Experte zu sein!

Vielmehr ist es eine ganz entscheidende Voraussetzung, dass die Arbeitnehmer Schritt für Schritt einbezogen werden, um ihren Beitrag an dieser stillen (radikalen) Revolution beizutragen.

 

Maschinen einfach schneller arbeiten zu lassen ist der falsche Ansatz

Die Produktion an der Maschine macht nur etwa 20 Prozent des gesamten Produktionsprozesses aus. Die restlichen 80 % der Zeit entfallen auf indirekte Prozesse wie Konstruktion, Auftragsabwicklung, Lagerung und Warentransport

Der Wandel zur intelligenten Fabrik bedeutet weit mehr als nur die Digitalisierung von Produktionsprozessen.

Gleichzeitig müssen auch die vor- und nachgelagerten Bereiche schrittweise verbessert und vereinfacht werden. Der Trend zu kleinen Losgrößen hat genau diese Prozesse verkompliziert. Der gesamte Ablauf muss schrittweise synchronisiert werden.

Chaos: ist nicht digitalisierbar

Proaktive Vereinfachung und partizipative Organisation erhöhen die tatsächliche Handlungsfähigkeit. Man ist nicht das Opfer, sondern begreift und agiert zielgerichtet.

Bevor eine hocheffiziente, flexible und transparente Fabrik geschaffen wird, die auch höchsten Qualitätsansprüchen gerecht werden kann, muss in den meisten Fällen erst einmal Ordnung geschaffen werden. Der Leitgedanke dabei ist, komplexe Abläufe so einfach wie möglich abzubilden, so dass sie für jeden verständlich und zugänglich sind, unabhängig von den technischen Fähigkeiten.

Drei besonders nützliche Maßnahmen sind:

  • Ein effizientes Layout von Maschinen und Produktionsbereichen sorgt für einen optimalen Prozessablauf. Dazu gehört, dass Wege verkürzt, um die Suchzeiten für das zu bearbeitende Material deutlich zu reduzieren. Dies wird erreicht, wenn die Maschinen in der Produktion besser auf den Gesamtablauf abgestimmt sind
  • Durch die Einführung der 5S-Kultur profitieren alle Beteiligten von einem effizienteren, sichereren und produktiveren Arbeitsumfeld
  • Visuelles Management erhöht die Transparenz, indem es wichtige Informationen für alle gleichermaßen sichtbar macht. Dies fördert ein gemeinsames Verständnis und erleichtert die Kommunikation zur Steuerung und Optimierung von Arbeitsabläufen.

 

Autonomation: die Partnerschaft von Mensch und Maschine

Das Ziel der Autonomation ist es, eine hohe Qualität, Effizienz und Flexibilität im täglichen Betrieb zu gewährleisten, so dass Menschen und Maschinen wirklich zusammenarbeiten können. Dadurch wird die Arbeit interessanter und weniger eintönig.

Der Begriff „Autonomation“ ist eine Kombination der Worte „Automatisierung“ und „Autonomie“. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Kombination beider Dimensionen von entscheidender Bedeutung ist. Nur so ist es möglich, automatisierte Prozesse zu schaffen, die uns in die Lage versetzen, Probleme frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren.

Das klingt nach Plattitüden, ist es aber nicht. Diese drei Aspekte sind entscheidend in der Automatisierung:

  • automatische Problemerkennung: Maschinen oder Prozesse sind in der Lage, Anomalien oder Fehler selbst zu erkennen
  • sofortige Reaktion: wenn ein Problem erkannt wird, wird der Prozess sofort gestoppt, um weitere Probleme zu vermeiden – es wird nicht aufgeschoben
  • menschliches Eingreifen: Die Teammitglieder werden alarmiert, um das Problem zu lösen, was eine schnelle Lösung ermöglicht und die Grundlage für eine kontinuierliche Verbesserung ist

Aus Erfahrung kann ich sagen: die menschliche Seite der Autonomisierung ist der springende Punkt. Sie ist von grundlegender Bedeutung für die Wirksamkeit und den Erfolg. Die Mitarbeiter werden nicht nur für die Ausführung von Aufgaben geschult, sondern auch dafür, Prozesse zu verstehen, Probleme zu erkennen und Lösungen umzusetzen. Dies erweitert ihre Fähigkeiten und fördert ihre berufliche und persönliche Entwicklung.

Auch das ist gelebte Meritokratie.

 

Industrie 5.0. Daten- und IT-Technologien für Operational Excellence.

 

Verabschieden Sie sich von Stift und Papier

In der Produktion gibt es heute noch viel Papier in Form von Arbeitsanweisungen, Stücklisten, Betriebsanleitungen, Konstruktionszeichnungen, Begleitpapieren, Lieferscheinen und Checklisten.

Natürlich ist die technologische Innovation ein wesentlicher Faktor. Eine modulare, skalierbare und gut integrierte IT-Infrastruktur ist zweifelsohne notwendig. Aber all dies allein reicht nicht aus, um ein neues, auf Daten basierendes Geschäftsmodell zu schaffen. Man muss bei den Daten, den Informationen, den realen Dokumenten und ihrem internen und externen Zweck, dem Kunden, anfangen. Es geht hier um die schrittweise Gestaltung von organisatorischem und kulturellem Wandel, um Verhaltensweisen und eingefahrene Gewohnheiten.

Daneben stellt sich die wichtige Frage, welche Technologien und Anwendungsmethoden dabei potenziell nützlich sind:

 

Industrielles IoT: eine Brücke zwischen schlank, digital und grün

Dazu gehören typischerweise: Maschinenüberwachung, Prozessdiagnose, OEE-Messung, OPS, Energieverbrauchsmessung, digitaler Zwilling, Augmented Reality als Erweiterung der realen Welt für Mitarbeiter in der Produktion mit den Fragen der Interoperabilität und Sicherheit.

 

Künstliche Intelligenz (KI): das ist keine Zauberei

Die generative künstliche Intelligenz hat bereits heute starke Auswirkungen und Anwendbarkeit in der  Fertigung.

Anwendungsbereiche sind z.B. Fehlererkennung, Ursachenanalyse, Dateninterpretation und Teilebeschaffung.

Sofern die Daten und Dokumente angemessen strukturiert vorliegen, steigern diese Anwendungen der künstlichen Intelligenz die Effizienz und Qualität von Produktion und Service deutlich. Sie senken die Kosten erheblich und automatisieren zeitfressende Abläufe.

 

Daten und Dokumente: umständlich ohne gemeinsame Sprache

Arbeiten Sie mit gedruckten Zeichnungen, Excel und ERP? Versuchen Sie, wichtige Daten, wie CAD-Zeichnungen oder Arbeitsunterlagen, nur in digitaler Form von einem Arbeitsplatz zum anderen zu übertragen. Auf diese Weise vermeiden Sie u. a. das Durchsuchen von Papierstapeln in der Werkstatt und verhindern, dass veraltete Versionen von Zeichnungen im Umlauf sind.

Was und wer braucht ein gutes Smartphone oder ein GPS mit schlechten Daten?

Je einfacher der Informationsaustausch ist, desto effizienter wir die Anwendung. Gerade wenn große Datenmengen in Echtzeit zur Verfügung stehen, sind auch neue und bessere Fähigkeiten erforderlich, um sie zu nutzen. Sonst gehen ihre Mitarbeiter im Datenmeer unter. Neben den Unmengen an „Big Data“ muss man auch in der Lage sein, sie im Kontext zu verstehen. Die sukzessive Optimierung der Qualität und die Integration der Systeme werden unabdingbar. Ein manuelles System verzeiht hier vieles – ein digitales nichts.

 

Cybersecurity: Risikobewusstsein und -management

s ist die Mischung aus technischen und organisatorischen Maßnahmen, die den Unterschied ausmacht.

Die zunehmende Vernetzung, ob intern oder in der Cloud, hat erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftskontinuität und den Schutz sensibler Informationen. Häufig sind sich die Unternehmen noch nicht ausreichend der Risiken bewusst, denen sie ausgesetzt sind. Schwachstellen, wie veraltete Software und unzureichende Zugriffsrechte, treten im Zuge der Digitalisierung unweigerlich und manchmal schmerzhaft zutage. Das kann sehr kostspielig und unangenehm werden.

Zu den notwendigen Schutzmaßnahmen gehören: Schutz vor Hacking, Malware und Ransomware, Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität sensibler Daten, Minimierung von Ausfallzeiten durch robuste Systeme und Einhaltung rechtlicher und regulatorischer Anforderungen.

 

S&OP, MES, ERP: das Rückgrat

Auch die stärker integrierte Planung von Produktion und Logistik ist eine Herausforderung. Hier laufen alle Fäden in der Fabrik zusammen, vom Auftragseingang bis zum Warenausgang. Einen einzelnen roten Faden gibt es nicht. Die Koordination von Fabrik 4.0 und 5.0 erfordert eine enge, zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Rollen und Technologien im Unternehmen. Die Büros mit der Werkstatt – dem sogenannten Shopfloor – und der Vertrieb mit Produktion und Logistik.

 

Veränderungsmanagement. Es ist wichtig, zu handeln und Verantwortung zu übernehmen.

 

Wie lauten die konkreten Vorschläge?

Vom Sagen zum Tun ist es noch ein weiter Weg. Weder die Mode noch die Angst vor der Zukunft werden helfen. Das Thema kann pragmatisch aus der Gegenwart heraus angegangen werden.

Die gute Nachricht ist, dass Erfolg in der Industrie 5.0 bereits heute möglich ist, großen Nutzen bringt und mitgestaltet werden kann. Die Digitalisierung der Produktion sollte dabei stets als Mittel zum Zweck und nicht als Ziel an sich betrachtet werden.

Eine ganzheitliche Betrachtung und Herangehensweise von Automatisierung, Digitalisierung und Geschäftsmodell ist ein Baustein dafür, dass sich Unternehmen in Industrieländern im internationalen Wettbewerb weiterhin behaupten können. Eine Standardlösung gibt es jedoch nicht. Es nützt nichts, sich an aktuellen Moden und Schlagworten zu orientieren. Die Informationstechnologie ist entweder bereits vorhanden oder kann installiert werden. Jedes Unternehmen muss hierzu die für sich maßgeschneiderte Lösung definieren und diese an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.

Was bedeutet das für organisiertes Handeln?

  • Konzentration auf spezifische Anwendungsfälle, reale Probleme und konkrete Kosten-Nutzen-Effekte
  • den „Ist-Zustand“ genau zu erfassen und das konkrete Optimierungspotenzial für einen bestimmten Prozess definieren
  • die Durchführung von Pilotprojekten in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Unternehmensfunktionen
  • eine Schrittweise Anpassung mit einem „Fahrplan“, der das Ganze berücksichtigt
  • die Förderung der Integration der verschiedenen Elemente aus Sicht der IT und der Datenqualität

Wirksame und nachhaltige Lösungen lassen sich im Laufe der Zeit nur durch Konsistenz, einen agilen, aber strukturierten Ansatz, die Einbeziehung der Beteiligten und die kontinuierliche Verbesserung der Datenkultur in dem jeweiligen Kontext erreichen.

Schnelle Erfolge sind notwendig und möglich, aber es dauert länger, diese umfassend und dauerhaft zu konsolidieren.

 

Und überhaupt: wer hat schon etwas gegen fähige und motivierte Mitarbeiter, zufriedene Kunden und wachsende Rentabilität?

Fallbeispiele

Vom Lean Manufacturing zur Smart Factory

Menschen, Maschinen, 5S: Zutaten für Innovation

Cybersecurity für’s Unternehmen

Ein höheres Level an Resilienz erobert

Die Komplexität eines internationalen ERP-Projekts

Standardisierungs- und Datenthemen, Konflikte und Widerstände überwinden

Restrukturierung mit Standortverlagerung der Produktion

Sicherung der Zukunft. Mit Sinn, Transparenz und Respekt.

Mein Name ist Steffen Zügel.

Im technischen B2B unterstütze ich zukunftsorientierte Unternehmen und Private Equity-Gesellschaften. Als erfahrener Manager, mit praxisnahen Lösungen – gerne im Team. In Italien, der DACH-Region und darüber hinaus.